
Veganismus in Deutschland: Trend oder echter Wertewandel?

Vegan leben – für viele klingt das heute nach Superfoods, Sojamilch und Social Media. Doch was steckt wirklich hinter dem Boom der pflanzenbasierten Ernährung in Deutschland?
Die Antwort ist komplex, aber deutlich: Veganismus ist längst mehr als nur eine Mode.
Und die folgenden Zahlen zeigen euch wieso:
1. Zwischen 2015 und 2024 ist der Umsatz mit veganen Lebensmitteln in Deutschland von 310 Mio. € auf über 1,9 Mrd. € gestiegen
2. 307 neue vegane Produkte wurden allein zum Veganuary 2022 in Deutschland auf den Markt gebracht
3. 39 % der Bevölkerung greifen laut BMEL-Ernährungsreport 2024 regelmäßig zu vegetarischen oder veganen Alternativen – mit steigender Tendenz.
4. Etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leben inzwischen vollständig vegan. Doch noch bedeutender ist die Gruppe der Flexitarier/innen: Über 38 %der Erwachsenen in Deutschland reduzieren ihren Fleischkonsum bewusst
Hier kann man sagen Veganismus ist von einem Randphänomen zu einem gesellschaftlichen Mainstream geworden. Während vegane Ernährung früher vor allem in alternativen Milieus verbreitet war, ist sie heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Supermarktketten wie REWE, Edeka und Aldi bauen ihre pflanzenbasierten Sortimente stetig aus. Das Unternehmen Rügenwalder Mühle, das bis vor wenigen Jahren ausschließlich Fleischprodukte verkaufte, erwirtschaftete 2022 erstmals über 50 %seines Umsatzes mit veganen Produkten – Tendenz steigend.
Es lässt sich auch deutlich sagen, dass der Schritt zur veganen Ernährung oft mehr ist als eine Gesundheitsentscheidung, sondern als Teil der sozialen Identität. Viele Menschen verbinden damit ethische und soziale Werte. Laut einer Umfrage von Veganz aus dem Jahr 2021 gaben 96 % der vegan lebenden Befragten an, aus ethischen Gründen auf tierische Produkte zu verzichten – insbesondere im Hinblick auf Tierwohl, Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Das Thema Nachhaltigkeit sei zu 83,3% der Grund, bei der vegetarischen Ernährung lag Nachhaltigkeit bei 80,3% als Grund und Tierschutz bei 88,8%.
So hat auch das Thema Nachhaltigkeit als Motivation zum Veganismus einen hohen Stellenwert, denn folgende ökologische Vorteile gibt es aufgrund einer pflanzenbasierten Ernährung, die gut belegt sind:
•Laut WWF werden 80 %der Amazonas-Entwaldung durch den Anbau von Futtermitteln verursacht.
• 2024 wurden nach vorläufigen Angaben in Deutschland rund 53,7 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente in der Landwirtschaft ausgestoßen. Über 60 % dieser Emissionen stammen aus der Tierhaltung
•Eine pflanzenbasierte Ernährung kann den persönlichen CO₂-Fußabdruck um bis zu 50 % senken (Leitzmann & Keller, 2020).
Betrachten wir hier die pflanzliche Ernährung einmal aus der physiologischen Sicht:
Was braucht der Körper?
Auch wenn die vegane Ernährung viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringen kann – darunter ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Übergewicht –, gibt es aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive einige Nährstoffe, auf die besonders geachtet werden muss.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist in ihrer Stellungnahme von 2023 darauf hin, dass bei rein pflanzlicher Ernährung potenziell kritische Nährstoffe berücksichtigt, werden sollten. Dazu zählen insbesondere:
• Vitamin B12: Dieses Vitamin kommt fast ausschließlich in tierischen Produkten vor. Es ist unerlässlich für die Blutbildung und das Nervensystem. Eine Supplementierung ist bei veganer Ernährung zwingend erforderlich.
•Vitamin D: Zwar kann es über die Haut durch Sonnenlicht gebildet werden, aber insbesondere im Winter ist eine ergänzende Zufuhr sinnvoll – unabhängig vom Ernährungsstil.
•Eisen: Pflanzliche Eisenquellen sind zwar vorhanden(z. B. Hülsenfrüchte, Vollkorn, grünes Blattgemüse), aber ihre Bioverfügbarkeit ist geringer als bei tierischem Eisen. Die Kombination mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln verbessert jedoch die Aufnahme deutlich.
•Jod: Da Jod meist über tierische Produkte und jodiertes Salz aufgenommen wird, sollten vegane Personen gezielt auf die Zufuhr achten – z. B. durch Meeresalgen oder jodiertes Speisesalz.
•Calcium: Wer auf Milch verzichtet, sollte auf calciumreiche pflanzliche Alternativen (z. B.angereicherte Pflanzendrinks, Grünkohl, Mandeln) achten.
•Omega-3-Fettsäuren: Die wichtigen langkettigen Fettsäuren EPA und DHA finden sich primär in fettem Seefisch. In der veganen Ernährung können sie über Mikroalgenöl aufgenommen werden.
Und wie sieht es mit den pflanzlichen Proteinquellen aus? Können diese gesund und vielfältig sein?
Die hochwertigsten pflanzlichen Eiweißlieferanten:
· Hülsenfrüchte (wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen)
· Sojaprodukte (z. B.Tofu, Tempeh, Edamame)
· Vollkorngetreide (Hafer, Quinoa, Hirse)
· Nüsse, Samen sowie Pseudogetreide (Amaranth, Buchweizen)
· Hafer- und Erbsenproteinpulver
· pflanzliche Fleischalternativen
Aber auch die kritische Beleuchtung ist hier wichtig, denn im Gegensatz zu tierischem Eiweiß enthalten manche pflanzlichen Proteine nicht alle essenziellen Aminosäuren in optimalem Verhältnis.
Hier ist es sehr wichtig auf die Kombination verschiedener Lebensmittelgruppen zu achten– etwa Hülsenfrüchte mit Getreide. Dieses Prinzip der “biologischen Wertigkeit durch Kombination” ist in der Ernährungswissenschaft gut belegt.
Die pflanzlichen Proteinquellen besitzen auch einige Vorteile:
•Sie sind cholesterinfrei und meist fettärmer als tierische.
•Sie liefern zusätzlich wertvolle Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien – allesamt gesundheitsfördernd.
•Eine pflanzenbetonte Ernährung mit Fokus auf Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten kann das Risiko für Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Darmkrebs senken
•Zudem sind pflanzliche Proteine im Vergleich zur Tierhaltung deutlich ressourcenschonender, da sie weniger Fläche, Wasser undFuttermittel benötigen und wesentlich weniger Treibhausgase verursachen.
Wer sich mit den eigenen Nährstoffbedürfnissen auseinandersetzt und bewusst isst, kann auch mit einer rein pflanzlichen Ernährung gesund und ausgewogen leben – ganz ohne Mangelerscheinungen. Pflanzliche Eiweißquellen sind nicht nur ausreichend und vielfältig, sondern bieten auch zahlreiche gesundheitliche und ökologische Vorteile.
Allerdings ist es wichtig deutlich zu machen, dass es Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten Nährstoffbedarf gibt; hierzu zählen vor allem Schwangere, Stillende, Kinder und ältere oder kranke Personen, diese Personen sollte man hiervon noch einmal isoliert betrachten. Diese Gruppen sollten eine noch sorgfältigere gestaltete Ernährung in den Fokus legen als in der gesunden erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Hier hat die DGE nach einer Neubewertung zur veganen Ernährung keine Empfehlung für noch gegen eine vegane Ernährung ausgesprochen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, der Veganismus ist ein Trend mit Tiefe. Er spiegelt einen Wandel in den Wertvorstellungen vieler Menschen – weg von rein konsumorientierten Entscheidungen, hin zu mehr Verantwortung für Umwelt, Tiere und Gesundheit.
Natürlich spielen auch Lifestyle-Faktoren und Marketingstrategien eine Rolle. Aber das allein erklärt nicht die nachhaltige Entwicklung der letzten zehn Jahre. Vieles spricht dafür, dass sich mit dem Veganismus ein kultureller Wandel vollzieht – einer, der Wirtschaft, Konsumverhalten und gesellschaftliche Normen langfristig beeinflusst.
Quellen:
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. (2024). Deutschland, wie es isst – DerBMEL-Ernährungsreport 2024. Abgerufen am 23. Juli 2025 von https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/ernaehrungsreport2024.html
DGE: DGE veröffentlicht neues Positionspapier zu veganer Ernährung. Abgerufen am 23.Juli 2025 vonhttps://www.dge.de//fileadmin/dok/wissenschaft/positionen/DGE_Position_Neubewertung_Vegane_Ern%C3%A4hrung_EU_2024_60-84.pdf
Good FoodInstitute Europe. (2025, 13. Mai). Four in 10 German and UK adults plan to eat more plant-based foods. Abgerufen am23. Juli 2025 von https://gfieurope.org/blog/research-four-in-10-german-and-uk-adults-plan-to-eat-more-plant-based-food/
Leitzmann, C., & Keller, M.(2020). Vegetarische und vegane Ernährung (3. Aufl.). UTB.
Leitzmann, C., & Keller, M.(2013). Ernährungsökologie (2. Aufl.). Springer.
Rittenau, N. (2020). Vegan-Klischee ade! (4. Aufl.). Unimedica.
Statista. (2025). Umsatz veganer Lebensmittel in Deutschland 2015–2024. Abgerufen am 23. Juli 2025von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/515770/umfrage/umsatz-mit-vegetarischen-und-veganen-lebensmitteln-in-deutschland/
Umweltbundesamt (2025) Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft
Veganz. (2021). Veganz Ernährungsstudie 2021. Abgerufen am 23. Juli 2025 von https://veganz.de/wp-content/uploads/2021/11/20211101-veganz-ernaehrungsreport-2021.pdf
Veganuary.(2022). Veganuary 2022 campaign in review [End-of-campaign report]. Abgerufen am 23. Juli 2025 vonhttps://veganuary.com/wp-content/uploads/2022/03/Veganuary-2022-End-Of-Campaign-Report.pdf
WWF. (2023). Living PlanetReport 2022 – Fokus Ernährung. Abgerufen am 23. Juli 2025 von https://www.wwf.de/living-planet-report-2022



