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RED-S: Wenn dein Körper nicht mehr genug Energie hat

Sportlergesundheit
Lisa Herr

Wenn Sport plötzlich mehr nimmt, als er gibt: RED-S ist ein unterschätztes Risiko, das langfristig Körper und Psyche belasten kann. Warum es so gefährlich ist – und worauf unbedingt geachtet werden sollte.

RED-S –das steht für Relative Energy Deficiency in Sport, also einen Energiemangel im Sport. Dahinter verbirgt sich ein Problem, das viel mehr Sportlerinnen und Sportler betrifft, als man zunächst denkt: Ein anhaltender Energiemangel, der weit über Hunger oder kurzfristige Erschöpfung hinausgeht. Besonders gefährdet sind Frauen, die intensiv trainieren, aber dabei zu wenig essen – häufig ohne es bewusst zu wollen.

Was genau ist RED-S?

Die Grundlage von RED-S ist eine sogenannte Low Energy Availability (LEA) – also eine niedrige Energieverfügbarkeit. Das bedeutet, dass dein Körper nicht genügend Energie bekommt, um gleichzeitig dein Training und alle lebenswichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten.

Das kann passieren, wenn du sehr viel trainierst und dabei zu wenig isst – ob bewusst (z. B. wegen Figur- oder Gewichtszielen) oder unbewusst (z. B. weil Stress oder Appetitlosigkeit dein Essverhalten beeinflussen).

Bleibt dieser Zustand länger bestehen, gerät dein gesamter Körper aus dem Gleichgewicht. Mountjoy et al. (2014, 2018,2023) beschreiben in ihren IOC Consensus Statements sehr anschaulich, dass RED-S praktisch alle Körpersysteme betreffen kann:

  • Hormonhaushalt (z. B. Sexualhormone, Schilddrüse, Cortisol)
  • Knochengesundheit (erhöhtes Risiko für Stressfrakturen und Osteoporose)
  • Herz-Kreislauf-System
  • Immunsystem (häufigere Infekte)
  • Mentale Gesundheit

Damit ist RED-S weit mehr als „nur“ ein sportliches Problem – es ist ein Gesundheitsrisiko.

 

Typische Anzeichen und Symptome

RED-S zeigt sich bei jedem Menschenetwas anders. Häufige Warnsignale sind:

  • Zyklusstörungen oder Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhoe)(ein zentrales, oft erstes Signal bei Frauen)
  • Ständige Müdigkeit und Erschöpfung, auch trotz ausreichendem Schlaf
  • Leistungseinbrüche, obwohl du hart trainierst
  • Häufige Infekte, langsame Heilung bei Verletzungen
  • Haarausfall, brüchige Nägel, trockene Haut
  • Schlafprobleme und Konzentrationsschwierigkeiten
  • Stimmungsveränderungen, z. B. depressive Verstimmungen oder Reizbarkeit
  • Verändertes Essverhalten, z. B. restriktives Essen oder Food-Focus
Folgen eines Energiemangels im Sport

 

Female Athlete Triad: Die „Vorgängerin“ von RED-S

Die sogenannte Female Athlete Triad beschreibt ein spezielles Syndrom bei Sportlerinnen, das aus drei miteinander verbundenen Komponenten besteht: niedrige Energieverfügbarkeit (mit oder ohne Essstörung), Zyklusstörungen und verringerte Knochendichte. Lange Zeit galt die Triade als zentrales Modell für die gesundheitlichen Risiken sportlich aktiver Frauen. RED-S erweitert dieses Konzept: Es schließt nicht nur Männer und Jugendliche ein, sondern berücksichtigt auch zusätzliche Systeme wie das Herz-Kreislauf- und Immunsystem sowie psychische Aspekte. Damit macht RED-S deutlich, dass die Gefahren eines chronischen Energiemangels weit über die klassische Triade hinausgehen.

Langfristige Folgen: Warum RED-S so gefährlich ist

Viele nehmen erste Symptome wie Zyklusstörungen, anhaltende Müdigkeit oder Infektanfälligkeit auf die leichte Schulter – doch auf Dauer kann RED-S erhebliche gesundheitliche Schäden verursachen. Einer der bekanntesten und am besten dokumentierten Langzeiteffekte ist der Verlust von Knochendichte. Ein chronisches Energiedefizit hemmt die Produktion wichtiger Sexualhormone wie Östrogen, die eine zentrale Rolle beim Knochenaufbau spielen. Die Folge: Die Knochensubstanz wird porös, das Risiko für Stressfrakturen steigt massiv, und schon in jungen Jahren kann sich eine Osteopenie oder Osteoporose entwickeln.

Aber RED-S betrifft noch weit mehr als nur die Knochen. Ein dauerhaft reduzierterStoffwechsel kann zu Herz-Kreislauf-Problemen, einer eingeschränkten Schilddrüsenfunktion und chronischen Verdauungsbeschwerden führen. Auch das Immunsystem wird nachhaltig geschwächt, sodass Betroffene anfälliger für Infekte und länger krank sind. Nicht zuletzt hat ein langfristiger Energiemangel oft gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Studien zeigen eine erhöhte Rate von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen– oft verstärken sich diese Probleme gegenseitig.

Das Tückische ist, dass viele dieser Schäden auch dann bestehen bleiben, wenn die sportliche Karriere längst vorbei ist. Deshalb ist es so wichtig, RED-S früh zu erkennen und ernst zu nehmen. Gesundheit ist kein kurzfristiges Projekt, sondern die Basis für ein erfülltes Leben – auf und neben dem Spielfeld.

Wer ist besonders gefährdet?

Risikogruppen sind u. a.:

  • Athlet*innen in Ausdauersportarten (z. B. Lauf- und Radsport)
  • Ästhetiksportarten wie Turnen, Ballett oder Cheerleading
  • Gewichtsklassensportarten (z. B. Kampfsport)
  • Jugendliche im Wachstum
  • Sportler*innen mit hohem Trainingsvolumen oder Perfektionismus
  • Menschen, die zu restriktivem Essen oder exzessivem Kalorienzählen neigen

Gerade bei jungen Athlet*innen wird das Thema oft spät erkannt, weil Zyklusstörungen (leider) immer noch häufig bagatellisiert werden. Und was ganz wichtig ist: nicht nur Leistungssportler*innen können davon betroffen sein!

 

Was kannst du tun?

Um RED-S vorzubeugen oder zu behandeln, sind mehrere Dinge wichtig:

- Ausreichende und ausgewogene Ernährung: Besonders in intensiven Trainingsphasen muss deine Energiezufuhr hoch genugsein, um Sport + Grundumsatz abzudecken.

- Regelmäßige Mahlzeiten und Snacks: Verteile deine Energie über den Tag und halte Mahlzeiten nicht zu lange auseinander.

- Hör auf deinen Körper!: Veränderungen wie Zyklusstörungen oder Müdigkeit sind ernstzunehmende Signale, keine Nebensache.

- Regeneration, Schlaf und Stressmanagement: Nicht jede Trainingsminute macht dich besser– aber ausreichende Erholung schon.

- Hol dir Unterstützung: Sprich offen mit Sportmediziner*innen, Ernährungsberater*innen oder Sportpsycholog*innen. Oft braucht es ein interdisziplinäres Team.

- Keine Angst vor Energie und Kohlenhydraten: Dein Körper ist dein wichtigstes Werkzeug. Er braucht Energie –nicht nur für sportliche Leistung, sondern auch, um gesund zu bleiben.

 

Fazit

RED-S ist kein Zeichen von Stärke oderDisziplin – sondern von einem Energiemangel, der langfristig ernsthafte gesundheitliche Folgen haben kann.

Gib deinem Körper, was er braucht. Nicht nur für Bestzeiten, sondern vor allem für deine Gesundheit, dein Wohlbefinden und deine Lebensqualität.

 

Du erkennst einige Symptome wieder und fühlst dich durch diesen Artikel angesprochen? Kontaktiere uns gern für ein unverbindliches Kennenlerngespräch, wenn du dir unsicher bist, ob du Hilfe benötigst!

Quellen:

  • De Souza MJ, Nattiv A, Joy E, Misra M, Williams NI, Mallinson RJ, Gibbs JC, Olmsted M, Goolsby M, Matheson G; Expert Panel. 2014 Female Athlete Triad Coalition Consensus Statement on Treatment and Return to Play of the Female Athlete Triad: 1st International Conference held in San Francisco, California, May 2012 and 2nd International Conference held in     Indianapolis, Indiana, May 2013. Br     J Sports Med. 2014 Feb;48(4):289. doi: 10.1136/bjsports-2013-093218. PMID: 24463911.
  • Mountjoy M, Ackerman KE, Bailey DM, Burke LM, Constantini N, Hackney AC, Heikura IA, Melin A, Pensgaard AM, Stellingwerff T, Sundgot-Borgen JK, Torstveit MK, Jacobsen AU, Verhagen E, Budgett R, Engebretsen L, Erdener U. 2023 International Olympic Committee's (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs). Br J Sports Med. 2023 Sep;57(17):1073-1097. doi: 10.1136/bjsports-2023-106994. Erratum in: Br J Sports Med. 2024 Feb 7;58(3):e4. doi: 10.1136/bjsports-2023-106994corr1. PMID: 37752011.
  • Slater J, Brown R, McLay-Cooke R, Black K. Low Energy Availability in Exercising Women: Historical Perspectives and Future Directions. Sports Med. 2017 Feb;47(2):207-220. doi: 10.1007/s40279-016-0583-0. PMID: 27430502.
  • Heikura  IA, Uusitalo ALT, Stellingwerff T, Bergland D, Mero AA, Burke LM. Low Energy Availability Is Difficult to Assess but Outcomes Have Large Impact on Bone     Injury Rates in Elite Distance Athletes. Int     J Sport Nutr Exerc Metab. 2018 Jul 1;28(4):403-411. doi: 10.1123/ijsnem.2017-0313. Epub 2018 Jun 12. PMID: 29252050.
  • Ackerman, K. E., Holtzman, B., Cooper, K. M., Flynn, E. F., Bruinvels, G., Tenforde, A. S., Popp, K. L., Simpkin, A. J., & Parziale, A. L. (2019). Low energy availability surrogates correlate with health and performance consequences of Relative Energy Deficiency in Sport. British Journal of Sports Medicine, 53(10), 628–633. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-098958
  • Logue, D. M., Madigan, S. M., Melin, A., Delahunt, E., Heinen, M., Donnell, S.-J. M., & Corish, C. A. (2020). Low Energy Availability in Athletes 2020: An Updated Narrative Review of Prevalence, Risk, Within-Day Energy Balance, Knowledge, and Impact on Sports Performance. Nutrients, 12(3). https://doi.org/10.3390/nu12030835